Burg Hirosaki

Burg Hirosaki

Die Betrachtung der Kirschblüten – bzw. das Picknicken unter Kirschblüten – gehört im Frühjahr in Japan zum Pflichtprogramm. Firmen, Sportclubs und Vereine stellen meist schon gegen Mittag jemanden ab, der unter der rosa Pracht einen 10 bis 15 Quadratmeter großen Claim mit grellblauen Plastikplanen absteckt und reserviert, bis am Abend gefeiert wird. Das Erleben der Kirschblüte ist ein absolutes Highlight auf der Japanreise. Das wissen auch die Japaner. Wenn Sie als Tourist am Nachmittag an einem der Hanami-Spots mit einem Sake und einem Snack vorbeikommen, um die Blüten zu betrachten, überlassen die Einhüter Ihnen sicher gern ein Stück Plane und man kommt vielleicht sogar ins Gespräch.

Der Brauch des Hanami existiert bereits seit dem 8. Jahrhundert. Damals war das süße Nichtstun in der Natur noch ein Vorrecht des Hofadels, der unter Kirschblüten dem Sake zusprach und sich dazu in klassischer Dichtung erging. Heute wird in den japanischen Parks zwar nicht mehr gedichtet, doch den Brauch des Reisweinkonsums hat man beibehalten. Kein Wunder, zeigen die Blüten doch nur den ersten Beginn des Frühlings an. Bei abendlichen Temperaturen von oft nur um die 10 Grad muss der Wärme von innen nachgeholfen werden.

Menschen beim Hanami
© WESTWARDS

In Tokyo kommt die „volle Blüte“ erst ein bis zwei Wochen später als in Kyoto an.

Zu den bekannten Hanami-Plätzen gehören die Ufer des Sumida-Flusses: unweit von Asakusa lässt es sich wunderbar unter den Kirschbäumen wandeln. Wie überall überbieten sich die Feiernden mit selbstgemachten Reisbällchen, Hors d’œuvres und kleinen Küchlein. Denn wie ein japanisches Sprichwort besagt: „Hana yori dango“ (Klößchen statt Blumen) – erst kommt das Fressen und dann die Ästhetik (der Blüten).

Doch es geht auch anders: Die Firmenabteilung gegenüber besteht aus einem Dutzend Männern in dunklen Anzügen. Alle haben korrekt die Schuhe vor der blauen Plane aufgereiht und sitzen nun in Strümpfen vor identischen Pappschachteln, bedruckt mit rosa Kirschblüten und gefüllt mit Häppchen von Reis, Gemüse und Fisch. Das saisonale Hanami-Menü wird von einem der umliegenden Restaurants direkt an die Plastikplane geliefert.

Auch die japanische Lebensmittelindustrie will über die rosa Blüten auf einen grünen Zweig kommen: Zahlreiche Süßigkeiten gibt es im Frühling in einer rosa Sonderedition mit säuerlichem „Sakura“-Geschmack: Kirschblüten-Kitkat, Kirschblüten-Bonbons, Kirschblüten-Schokolade, Doppelkekse mit Kirschblütencremefüllung … „Sakura“ schmeckt frisch und säuerlich, aber nicht nach Kirsche: denn aus all der Blütenpracht erwachsen im Herbst keine Kirschen. Sakura sind reine Zierpflanzen, fruchtfrei hochgezüchtet für den Kult kollektiver Frühlingsgefühle.